13März
2013

Mumifizierte Bankräuber

Diese sowieso schon kurze Nacht, war schrecklich, denn unsere Träume von blutigen Leichen in Badewannen und fremden Männern in unserem Auto und zu guter Letzt Flötenspielkreisen mit neuer Musik, trugen nicht zu einer ruhigen Nachtruhe bei. Und die fehlende Toilette gab uns den Rest. Ich habe Harndrang (Insider an alle Zeltlagerleute 2012)!

5:00Uhr klingelte der Wecker und so hieß es für uns in tiefster Dunkelheit uns fertig zu machen und zum Bahnhof zu fahren. Aha, da waren also unsere neuen Kollegen. Wir statteten schnell dem Klo einen Besuch ab und ließen dann von Craig unsere Namen auf der Liste abhaken. Nach einer kleinen Ansprache in der sich endlich herausstellte, dass wir ganz normal grape harvesting machen werden, bedeutete er uns in unserem Auto den anderen Wägen zu folgen. Puh, das war ein Gewusel auf dem Parkplatz. Irgendwann kristallisierte sich eine Autokolonne heraus und wir schlossen uns dieser an. Mit den letzten Tropfen Benzin erreichten wir einen vineyard. Wir warfen einen Blick in die Runde. Der Anblick war ein anderer als bei Bell’s in Kaitaia. Keine nackten, braungebrannten, maorische Oberkörper, sondern mumifizierte Thais. Hier bekam das Wort „Kopfbedeckung“ eine ganz neue Bedeutung. Man hätte sie in ihrem Aufzug auch für Bankräuber halten können, denn über der wollenden Strumpfmaske trugen sie noch Sonnenbrillen, außerdem eine Schirmmütze mit Nackencape. Den Pestiziden keine Chance!

Wir bekamen eine scharfe Schere n die Hand gedrückt und wurden in die Materie eingeführt. Echt kompliziert: Man muss die Traubenklöpse abschneiden, aber nur die, an denen genug dran ist, kein birdpick und/oder Schimmel vorhanden  ist. Und dann, ab mit ihnen in eine Kiste. Und so gingen wir mit unserem Partner Reihe für Reihe ab und pflückten, was das Zeug hielt. Da man hier einen Groupcontract unterschreibt berechnet sich der Lohn nach der Menge der von allen Pflückern gesammelten Früchte, also darf man nicht trödeln! Das können vor allem die vermummten asiatischen Arbeiter gut, die haben’s echt drauf!

Nach der 15min Pause machten wir uns wieder an die Arbeit  - und stoppten eine dreiviertel Stunde später. Schluss für heute. Wie bitte? Ok, wir hatten bereits keine Lust mehr, aber so lohnt sich das ja gar nicht. Naja, kann man nichts machen, wir fuhren also zurück nach Blenheim auf den Countdown-Parkplatz. Und bald herrschte Verwirrung pur. Wieso befand sich auf Chris Mobilbox ein Anruf von Craig mit der Frage, wo wir seinen? Hä, standen wir nicht die letzten 3 ¼ Stunden auf dem Feld?! Seltsam.  Da klingelte das Telefon schon wieder und Craig versicherte uns mit einer gereizten Stimme, dass wir tatsächlich nicht dagewesen seien. Oje, wir hatten uns anscheinend mal wieder ganz besonders clever verhalten. Anscheinend hatte sich nicht nur Craigs Crew am Bahnhof getroffen, sondern auch noch eine weitere, bei der wir uns unauffällig eingeschlichen hatten, als wir ihnen folgten. Na gut, das kann in der morgendlichen Dunkelheit ja mal passieren. Was uns allerdings ein paar Sorgenfalten ins Gesicht treibt ist die Tatsache, dass wir zu keinem Augenblick hinterfragt haben, warum unser Chef plötzlich Alan und nicht mehr Craig heißt, warum auf den Autos nicht mehr der Name der Contractor-Firma steht und wieso überhaupt kein einziges bekanntes Gesicht mehr vorhanden war. Wir scheinen einfach zu konzentriert gearbeitet zu haben. Craig will uns aber trotz unserer offenbar eingeschränkten Intelligenz eine zweite Chance geben, wir sollten einfach morgen wirklich ihm hinterher fahren. Den Vertrag von heute haben wir ja noch nicht unterschrieben. Hmm, wie allerdings stellen wir das dann an, dass wir trotzdem für heute bezahlt werden? Stehen wir überhaupt auf irgendeiner offiziellen Liste des unbekannten heutigen Arbeitgebers drauf? Und überhaupt. Eigentlich haben wir eh vor nächste Woche bei einem anderen Weingut anzufangen. Eine verzwickte Situation, da werden wohl wieder viele Listen fällig werden und uns so manche Peinlichkeit nicht erspart bleiben. Stefanos Lösungsvorschlag: Einfach Cookies mitbringen. So einfach geht das.

Jetzt gehen wir erst mal in die Bücherei, dann vielleicht in den Kathmandu, danach machen wir uns Abendessen und stellen uns auf unseren Privatparkplatz. Zwischendurch entscheiden wir uns noch für einen der drei Jobs. Finito.